Bettina Krieg – Lebendige Stille auf Papier | Lisa Sintermann 2018

Bettina Krieg (geb. 1981 in Würzburg) arbeitet mit einem der ältesten Medien der Bildenden Kunst, der Handzeichnung. In Zeiten von Digitalisierung und Bilderflut wirken die Papierarbeiten der in Berlin lebenden Künstlerin entschleunigend. 

Bettina Krieg arbeitet mehrere Tage oder Wochen an einer Zeichnung. Ihre großformatigen Blätter zeigen abstrakte Linienverläufe aus feinem Silber, Gold, Kupfer, Blau- oder Grün-Metallic. Die organischen Strukturen lösen eine Vielzahl von Assoziationen bei der Betrachtung aus, die von der Künstlerin nicht beabsichtigt, aber auch nicht verneint werden: Muskelfasern, Pflanzenwachstum, Wellenverläufe oder Wüstenlandschaften. 

Die unbetitelten Zeichnungen treten auf Grund ihrer Offenheit in einen stillen Dialog mit ihrem Gegenüber. Die dynamischen Schwünge und plastischen Gebilde, mit feinem Aquarellstift gezogen, ziehen den Betrachter in ihren Bann. Sie locken ihn in eine unbekannte Welt hinein, zeigen Abgründe auf, engen ein und schaffen Raum. Je nach Hintergrund des Betrachters, aber auch je nach der Stimmung ein und derselben Person, schwankt die Haltung zu den Arbeiten zwischen Ruhe und Unruhe, Anziehung und Schwindel.    

Bettina Krieg zeichnet mit einer Haltung, die einer konzentrierten Meditierenden gleicht. Sie beginnt in der Mitte des Blattes oder an einer Kante. Von dort zieht sie zügig eine Linie nach der anderen. Sie geht intuitiv vor, ohne ihr Konzept zu verlieren. Während des Zeichnens beobachtet sie ihre Gedanken und Emotionen. Diese finden in den Zeichnungen der Künstlerin zwar keinen direkten Ausdruck, sie schwingen aber zwischen den Linien mit. Ab und an lassen sich bei näherer Betrachtung Aquarellspuren, Fingerabdrücke oder Regelabweichungen entdecken. „Es gibt keine Fehler“, so die Künstlerin. Alles, was sich im gegenwärtigen Moment auf dem Papier zeigt, wird in die Zeichnung integriert.

Die konzeptuellen Zeichnungen der Künstlerin werden auf diese Weise höchst lebendig. Ihnen ist das Leben selbst inhärent, das nie geradlinig ist. In unerschöpflichen Varianten zeigt es sich immer wieder aufs Neue.